Interview 01 - Sportlehrerin

Das erste Experteninterview führte ich mit einer Sportlehrerein (geb.1955). Sie unterrichtet seit 1980 an einem Gymnasiums in Rheinland-Pfalz und konnte uns hier mit knapp 40 Jahren Berufserfahrung dienen.

Außerdem war sie von 1968 bis 1984 aktive Handballpielerin unter anderem auch im Leistungssportbereich. Seit der Verabschiedung aus dem Aktivenbereich war sie jahrelang Trainerin für verschiedene Mannschaften, ebenfalls bis in den Leistungsbereich. Dadurch profitierte ich von ihrer Expertise und Erfahrung in der Ausbildung im Schulsport, sowie im Leistungssport.

Das Interview bestand aus vier Teilen: Einem allgemeinen Teil zur Person und deren sportlicher Einstellung, einen Teil zu Einschätzung des sportlichen Niveau bei Jugendlichen im Allgemeinen, einen Teil zur eigenen Schulsportlichen Vergangenheit und schlussendlich einen spezifischen Teil zur Erfahrung als Lehrkraft für den Schulsport.


Auszüge aus dem Interview:



























Unten aufgeführt finden Sie das gesamte Interview in voller Länge.


Interview 01 - Sportlehrerin, 63 Jahre


[ Part 01 - Sportliche Ausbildung im Schulsystem ]

Machen Sie Sport? Welchen? Seit wann?
Ich mache keinen Sport mehr. Aber ich habe Handball gespielt von 1968 - 1984.

Warum haben Sie sich dafür entschieden? Was gefällt Ihnen daran?
Mein Vater und mein Bruder haben Handball gespielt. Mir gefällt die Dynamik, kein Spiel ist wie das andere. Die Gemeinschaft in einer Mannschaft gefällt mir besonders. Die taktischen Möglichkeiten die dieses Spiel bietet und die technischen Voraussetzungen, die dafür notwendig sind.

Mit welchen Spiel-/Sportgeräten haben Sie in Ihrer Kindheit gespielt? Was hat Ihnen besonders gefallen?
Da ich Jahrgang 55 bin, gab es damals noch nicht so viele Spiel- und Sportgeräte, man hatte also in erster Linie einen Ball und seine eigenen Füße. Zum Fußball spielen, zum Handball spielen und zum Rennen. Und man hatte Bäume zum Klettern.

Haben Sie sich außer bei Spiel und Sport körperliche betätig?
Wir hatten Landwirtschaft zu Hause, da war es ganz normal, dass man als Kind geholfen hat.

Welche Sportgeräte gibt es heute, die du besonders zu schätzen weißt und gerne auch früher gehabt hättest?
Mein liebstes Sportgerät ist immer noch der Ball, da er so universell einsetzbar ist, wie ich kein anderes Sportgerät kenne. Was ich auch immer noch toll finde, ist ein Springseil. Das ist leicht zu verpacken, kann gut verwendet werden, und ich denke, das ist schon fast ausreichend, wenn man das hat. Viele Sportgeräte heute sind für kurzfristigen Spaß ausgelegt und schnell wieder out.

Würden Sie im Hinblick auf Ihren jetzigen körperlichen Zustand an ihrer sportlichen Vergangenheit etwas ändern?
Nein, würde ich nicht.

Hat sich der Sport stark auf deinen Alltag ausgewirkt?
Ausgewirkt hat er sich auf jeden Fall, einfach durch die viele Zeit, die man damit verbracht hat. Aber für mich nur positiv, da ich total viele nette Menschen kennengelernt habe, mit denen ich seit vielen vielen Jahren befreundet bin und immer wieder zum Beispiel hier (trainiert Handball Mannschaft) nette Menschen kennenlerne.

Denken Sie, dass körperliche Fähigkeiten heute an Priorität verloren haben? Beispielsweise im Hinblick auf die Arbeit?
Ich denke, dass sie leider sehr vernachlässigt werden und auch felsenfest davon überzeugt bin, dass nur mit einer einigermaßen körperlichen Fitness auch der größte Teil der heutigen Arbeit zu bewältigen ist.




[ Part 03 -  Selbsterfahrungen bei der sportlichen Ausbildung im Schulsystem ]


Finden Sie, dass sich am Sport-/Spielverhalten der Jugendlichen etwas verändert hat?
Ja hat es sich. Es gibt einige Kinder, die sehr intensiv Sport treiben, also schon in frühen Jahren sehr viel trainieren. Im Gegensatz dazu, gibt es viele Jugendliche die gar nichts mehr machen. Die Schere ist größer geworden

Gibt es auch etwas, das Jugendliche heute gegenüber früher dazugewonnen haben?
Durch die ganzen Skateboards mehr Gleichgewichtsgefühl.

Sehen Sie eine positive Tendenz, dass sich Kinder und Jugendliche im digitalen Umfeld bewegen?
Es ist sicher für Ihr Berufsleben von Vorteil,das mag sein. Aber für Ihren Gesundheitszustand sicher nicht.

Halten Sie eine grundlegende sportliche Ausbildung (unabhängig von konkreten Sportarten) im jungen Alter für wichtig?
Ganz sicherliche, denn das was ich in jungen Jahren lerne, das behält sich auch mein Körper. Sprich, gerade Ausdauer, Schnelligkeit, das sind Fähigkeiten, die werden im jungen Alter herausgebildet. Und ich bin dann auch später mehr in der Lage eine sportliche Tätigkeit wiederaufzunehmen.

Wenn sehen Sie hier in der Pflicht, junge Menschen zum Sport zu bewegen?
Ich denke man sollte sich die Pflicht teilen. Ich finde, da gehört das Elternhaus dazu, da gehört aber schon der Kindergarten dazu und die Schule. Und leider, gerade in den grundschulen, gibt es wenige Sportlehrer, sodass der Sport dort oft sehr schmalspurig ausfällt und nicht breit wie er sein sollte.

Sehen Sie hier eine Entwicklung bei der sportlichen Ausbildung seitens der Ausbilder?
Da hat sich schon einiges verändert. Ob das alles sich zum positiven geändert hat mag Überlegung sein. Ich bin finde klassischen Sportarten interesseanter und denke, dass die Kinder dabei im Normalfall am meisten Spaß haben. Und die Ausbildung der Lehrer ist auch nicht unbedingt besser geworden, wenn ich heute Fächer abwählen kann, die ich nicht mehr machen muss und mit einem Semester Volleyball danach Volleyball trainiere und gleichzeitig noch Basketball. DAs finde ich unglaublich schlecht.

Gibt es dabei irgendeinen konkreten Sport, den Sie für die Grundausbildung besonders wertvoll schätzen?
Perfekt wäre, alle Kinder würden mit Leichtathletik anfangen, oder Turnen und dann Leichtathletik machen. Das ist glaube ich sehr klassisch, aber auch aus gutem Grund.

Was halten Sie von Leistungszentren?
Die Leistungszentren, beispielsweise in der DDR, gab es welche, die großen Internate. Die habe ich selber erlebt, nicht aktiv, sondern nach der Wende und muss sagen, dass war für die Kinder meistens sehr positiv. DIe heutigen Leistungszentren kennt man ja eigentlich nur aus dem Fußball und da muss man immer recht weit von zu Hause weg. Das war in der DDR besser, das war zentraler und man konnte von sienem Inetrnat aus am Wochenende auch mla nach Hause fahren.

Hauptsache Bewegung, oder sollte es ein konkreter Sport sein?
In erster Linie, hauptsache Bewegung. jeder sollte seine Sportart finden, die ihm am meisten Spaß macht.Ob ich jetzt eine Individualsportart, oder ein Teamsport mache, liegt oft auch am Typ. Ich selbser würde sagen, immer eine Mannschaftsportart, da ich hier mehr sozialen Kontakt habe, auch mehr lerne mit meinen eigenen Fehlern umzugehen und immer welche in der Mannschaft haben, die mich unterstützen.

Welche Kompetenzen werden Ihrer Meinung nach durch den Sport gefördert, oder auch gehemmt?
Das kommt auf die Sportart drauf an. Wie gesagt, Individual- oder Mannschaftssport. Der Individualsportler ist es gewohnt alleine zu trainieren und macht das auch, ein Mannschaftssportler ist sehr schwer dazu zu bewegen allein was zu machen. Und ich glaube eine Mannschaftssportart fördert sehr die soziale Kompetenz, während die Individualsport viel mehr das Durchsetzungsvermögen fördert.

Welche im Sport erlernten Kompetenzen halten Sie für den weiteren Lebensweg am wertvollsten?
Ich finde das physische und soziale gleichwertig wichtig und auch untrennbar miteinander verbunden.



[ Part 03 - Sportliche Ausbildung im Schulsystem ]


Sind Sie gerne zum Schulsport gegangen?
Ja!

Hätten Sie gerne mehr Schulstunden für Sport gehabt?
Ich hätte mir gerne deutlich mehr habt und würde mir wünschen, dass die Kinder heute auch mehr bekommen.

Welches Pensum an Schulsport halten Sie für angemessen?
Ich würde die tägliche Sportstunde zwingend verordnen.

Was war besonders gut, oder schlecht?
Die Anforderungen waren noch nicht so gut, da die Sportlehrer damals noch nicht alle so toll waren. Aber in der Oberstufe hatte ich dann einen Basketballtrainer, mit dem wir Basketball gespielt haben und da habe ich richtig viel gelernt, das war toll.

Gibt es Unterschiede zwischen Grund- und weiterführenden Schulen?
Auf jeden Fall. Wie gesagt sin in der Grundschule oft keine ausgebildeten Sportlehrer, die bröaucht man da aber gerade dringend und dann passiert es doch sehr oft: einfach Ball in die Mitte und spielen. Und ich glaube im Gymnasium in der Oberstufe findet man da häufiger einigermaßen gute Sportlehrer.

Welche Inhalte fanden Sie besonders gut? Was haben Sie vermisst?
Also gefallen hat mir Basketball wie gesagt und ich wär gerne mehr Schwimmen gegangen, weil ich ein schlechter Schwimmer war. Aber das war damals schon so wie heute. Es gab keine verfügbaren Schwimmbäder.

Wie war die Ausrüstung Ihrer Sportstädten? Haben Sie etwas vermisst?
Wir waren sicherlich gut ausgestattet, weil wir einen aktiven Turnverein zu Hause hatten. Von daher gab es sehr viele Turngeräte, die man auch nutzen konnte.




[ Part 04 - Sportliche Ausbildung im Schulsystem ]


Halten Sie eine sportliche Ausbildung  im Schulsystem für sinnvoll?
Natürlich sinnvoll und wird immer wichtiger. Gerade die Ganztagsschulen zwingen ja die Kinder dazu sehr viel Zeit in der Schule zu verbringen. Sie haben dann oftmals keine Zeit mehr in einem Sportverein Sport zu treiben. Also müsste die Schule eigentlich noch mehr sportliche Ausbildung übernehmen.

Ist Sport ein gleichwertiges Fach wie beispielsweise Mathe? Sollte das / nicht so sein? Sollte das Bewertungssystem gleich  sein?
Sport und alle anderen Fächer sollten genau gleich gehandhabt werden. Natürlich haben die Hauptfächer Mathe, Deutsch und so weiter einen höheren Stellenwert. Aber ob Sport, Musik Kunst,m das ist alles gleichwertig

Gibt es einen festen Lehrplan? Wie sieht dieser aus? Wie viel Freiheiten hat man?
Ja wir haben einen Lehrplan vom Bundesministerium in Rheinland-Pfalz, aber jeder Schule ist es freigestellt diesen Lehrplan zu modifizieren, das haben wir auch gemacht. Das machen wir alle paar Jahre, unterwerfen das einer Evaluation, überlegen welche neuen Sportarten wir dazunehmen müssten: Badminton, Rope Skipping, Step Arobic und so weiter ist mittlerweile auch bei uns im Lehrplan

Finden Sie Sportinhalte angemessen? Würden Sie etwas ändern wollen?
Nein, ich finde eigentlich, dass wir einen ganz guten Lehrplan haben. Wir versuchen die Schüler breit auszubilden, über die für mich sehr wichtigen Grundsportarten Turnen und Leichtathletik. Davon ausgehende zu den kleinen Spielen und großen Spielen und wir haben auch in der Oberstufe ein breites Band an Sportkursen zur Auswahl.

Gibt es gravierende Unterschiede bei den Sportschülern
zwischen früher und heute?
Das hat sich schon etwas geändert, weil die Kinder ja zu Hause nicht mehr körperlich gefordert werden. Sprich, ich unterrichte ja in Bingen, da gibt es eigentlich relativ viel Landwirtschaft, wo die Kinder immer viel geholfen haben. Das wird immer weniger, unteranderem auch wegen der Ganztagsschule. Das heißt die körperlichen Voraussetzungen sind schlechter. Aber wie vorhin schon gesagt, hat man hier wieder diese Schwere. Die Kinder die zehnmal die Woche trainieren und die, die nie trainieren.

Hat sich der Unterrichtsinhalt über die Zeit entwickelt? Gibt es hier etwas ganz konkretes, dass Sie geändert haben?
Ja auf jeden Fall. Wer das nicht macht, macht einen Fehler. Was konkret kann ich gar nicht sagen, da das ein schleichender Prozess über die Jahre ist.

Was sind die wichtigsten Lektionen, die die Kinder aus dem Unterricht mitnehmen sollten?
Das ist mir zum Glück über die Jahre ein paar mal passiert. Dass tatsächlich Schülerinnen nach 20 Jahren zu mir kamen und gesagt haben: „Frau Euler, ich hab  mich erinnert, bei Ihnen mussten wir früher imm laufen und wissen Sie was? Jetzt bin ich gerade meinen ersten Halbmarathon gelaufen.“ Ich finde wenn uns das tatsächlich in der Schule gelingt, dass wir Kinder dazu treiben auch weiterhin Sport zu treiben auch wenn sie nicht mehr in der Schule sind, dann haben wir gewonnen.

Was finden Sie am schwierigsten zu unterrichten / zu
vermitteln?
Mittlerweile finde ich am schwierigsten Turnen, weil den Kindern heute einfach die Kraft fehlt. Turnen heute heißt dann einfach immer, ich muss denen viel Hilfestellung geben, aber eigentlich sollten das die Kinder selbst geben. Und da kommt, desto älter man wird auch immer mehr die Angst dazu, wenn jemandem was passiert, was ist dann?

Was sind Gründe, weswegen einem Kind der Schulsport
unangenehm sein könnte?
Das ein Kind es von vorne herein nicht kann, also sprich ein schlecht Sportler ist, das gibt es ja einfach. Und dann natürlich immer gesehen wird von seinen Mitschülern, oder Mitschülerinnen und dann denkt: „Oh, ich bin so schlecht, ich kann das nicht“. Aber ich kann nur sagen mit Abstand die meisten machen gerne Sport.

Wie gehen sie mit Kindern um, denen der Schulsport
unangenehm ist?
Das lässt sich nicht verallgemeinern. Du kannst versuchen mit Ihnen zu reden, ihnen zu helfen. Ungerade für diese Kinder gibts ja den oft total schnelle Erfolgserlebnisse, wenn sie mal irgendetwas schaffen, dass sie davor nicht geschafft haben. Und das geht fast nur mit gutem Zureden.

Finden Sie Konkurrenzkampf im Schulsport sinnvoll?
Er gehört zum Sport dazu. Bei jeder sportlichen 
Aktivität sehen sich die Schüler und sehen ob es 
einer besser oder schlechter kann. Es ist utopisch 
zu denken, dass die das nicht mitkriegen.

Haben Sie sich jemals mit Mobbing oder Diskriminierung im Schulsport auseinandergesetzt gesehen?
Nein, das gibt es zwar leider immer mehr, findet aber mittlerweile eh auf digitalem Wege statt, auf Facebook und Whats App.

Inwiefern kann der Schulsport ganz direkt den Alltag beeinflussen?
Indem die Kinder zumindest einmal am Tag die Möglichkeit geboten bekommen sich relativ frei zu bewegen, ohne auf dem Po sitzen zu müssen und einfach mal rennen können. Wann können die das noch?

Fänden Sie einen höheren Theorieanteil im Sportunterricht sinnvoll? Beispielsweise biologische und medizinische, sowie Ernährungsthemen?
Wäre sinnvoll in der Oberstufe - ich glaube in Hessen wird das mittlerweile sogar gemacht. Ich glaube die haben eine Stunde Theorie, das finde ich ganz gut. Halte ich aber in der Unter-und Mittelstufe als falsch, da denke ich ist es das Wichtigste, dass die Kinder sich bewegen. Aber für die Oberstufe fände ich es sinnvoll, wenn die ein bisschen mehr wissen würden, was eigentlich mit ihrem eigenen Körper passiert.

Sollte man spezifische Sportarten unterrichten, oder vorzugsweise eine körperliche Grundausbildung anstreben?
Die körperlichen Grundausbildung, mit der geht es los. Und aus dieser Grundausbildung, die man möglichst in der Grundschule und der Unterstufe machen sollte kommt natürlich, das man dann auch ein paar Sportarten lernt. Aber Grundausbildung kommt vor Allem.

Wenn Sie am Sportunterricht eine Sachen ändern könnten, was wäre das?
Fünf mal die Woche!







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